Athletiktraining beim Eishockey

Wie bedeutend ist das richtige Athletiktraining beim Eishockey für den Verlauf einer ganzen Saison? Diese Frage wurde lange stiefmütterlich behandelt, gewann in den letzten Jahren an Bedeutung und wurde aber dennoch nie ordentlich beantwortet. Welche Folgen das heute hat, deuteten jüngst zwei Experten unseres Sports an.

Einige Spieler zu sehr gepusht

In einem aktuellen Bild-Interview räumte Freezers Coach Benoit Laporte ein, dass wohl auch die Coaches Fehler gemacht haben. Er lässt sich nicht wirklich über die Ergebnisse des Fitness-Tests seiner Spieler aus.

Es ging im ersten Teil um die Hightech-Maschine „InBody“, welche das Verhältnis von Körperfett und Muskelmasse misst. Diese zeigt auch an, welche Muskeln wie in Form sind. Mit Hilfe der Maschine wurde der angesprochene Fitnesstest durchgeführt. Die Ergebnisse waren wohl nicht sehr erfreulich, wenn Laporte sofort eigene Fehler einräumt. Doch worin genau liegen die Fehler? „Vielleicht haben wir einige Spieler zu sehr gepusht…“ gibt sich der Trainer dazu geständig aber eher wortkarg.

Hartes Training in Juli und August für den Erfolg im April

Ich kann mir ganz gut vorstellen, dass genau das der Fall war! Viele Trainer neigen dazu, die Spieler in der Vorbereitungsphase über ihre Grenzen gehen zu lassen. Meist geht es dabei aber lediglich um den Willen, nochmal einen Schritt zuzulegen, obwohl man eigentlich nicht mehr kann. Selten wird aber mit heute gängigen Mitteln gepüft, ob das Training auch tatsächlich Erfolg im Ausdauer- oder Kraftaufbaubereich nach sich zieht. Fraglich ist dabei, wie eine Periode in den Monaten Juli und August nachhaltig dafür sorgen kann, dass ein Team in den Folgemonaten März und April über eine bessere Athletik verfügt als ein anderes Team. Vielmehr muss doch ein kontinuierliches Athletikprogramm fruchten, welches die gesamte Saison über parallel zum Training auf dem Eis durchgeführt wird.

Mehr ist nicht immer mehr

Athletiktraining beim Eishockey - mehr ist nicht mehr

Athletiktraining beim Eishockey – mehr ist nicht mehr

Kurze Zeit vor dem Bild-Artikel der Freezers erschien ein Interview in der Eishockeynews über die Ingolstadt Panther. Genauer gesagt wurde der sportwissenschaftliche Berater Stefan Schaidnagel zur Verletzungssituation der Panther befragt, die sich bereits vor dem Saisonstart als sehr unangenehm darstellt. Konkret auf den Fall Thomas Greilinger angesprochen erklärt Schaidnagel: „Ich möchte nicht ausschließen, dass Greilinger bei früheren Stationen verheizt wurde. Vielleicht ist er nicht immer professionell behandelt und auf dem neuesten Stand der Wissenschaft trainiert worden.“ Jetzt bin ich nicht mehr alleine mit meiner Vermutung. Diese Antwort lässt zwar Spielraum, deutet aber schon auch darauf hin, dass weniger nach wissenschaftlichen Erkenntnissen trainiert wurde und vielleicht doch mehr nach psychologischen Einschätzungen. Denn ohne es wirklich zu wissen, hätte der gute Stefan niemals eine solche „Vermutung“ geäußert. Mir ist durchaus klar, dass in diesem Interview niemand konkret an den Pranger gestellt werden sollte, sondern vielmehr die Trainerausbildung als Gesamtes hinterfragt wurde.

Wer bildet unsere Trainer eigentlich für das Athletiktraining beim Eishockey aus?



Beim Deutschen Eishockey-Bund zeichnet sich Jim Setters verantwortlich für die Traineraus- und Weiterbildung. Ein genaues Konzept konnte ich auf der DEB Seite zwar nicht finden, aber die Lehrgangsübersicht verspricht, dass man sich dem Thema im Mai diesen Jahres angenommen hat. Demnach müssten doch alle Trainer auch auf dem aktuellen Stand sein. Warum also entfacht nun eine Diskussion über das richtige Athletiktraining beim Eishockey?
Dazu habe ich mal zwei Inhalte der Fortbildungsmaßnahmen herausgezogen, die mir wirklich erwähnenswert schienen. Was oder wen genau präsentiert Setters z.B. als die neuesten Erkenntnisse zum Konditionstraining im Eishockey?

Mit Sean Skahan (Anaheim Ducks) hat z.B. ein sehr renommierter Athletiktrainer absolut zielführende Vorträge gehalten:

Athletiktraining Plan In-Season

Athletiktraining Plan In-Season

  • Kraft- und Konditionstraining In-Season
  • Kraft- und Konditionstraining Off-Season

Warum die Trainer in Deutschland diese Inhalte in ihren Clubs nicht umsetzen, ist schwer nachzuvollziehen. Die vielen Verletzten zu Beginn dieser Saison erschweren hier die Nachvollziehbarkeit. Hier sollte überdacht werden, ob man derartige Inhalte (wie z.B. von Skahan) nicht in die Trainerausbildung mit einbaut, sie sogar zum Pflichtprogramm macht. Detailliertes Wissen im Athletikbereich auf neuestem Stand müsste somit eine Bedingung für den Erhalt des Trainerscheins werden.

Aus den Vorträgen von Sean Skahan geht eindeutig hervor, dass Eishockey (im Gegensatz zu den weit verbreiteten Ansichten in Deutschland – unter anderem an den 8 Monatsverträgen erkennbar) ganz klar eine Ganzjahressportart ist. Von ganzen 4 Wochen Pause spricht Skahan in seinem Vortrag. Das dürfte für viele Clubs hier zulande überraschend sein. Parkt man doch die Spieler im Sommer bei der Arbeitsagentur, anstatt sie nach einem vierwöchigen Jahresurlaub unter die Obhut eines gut ausgebildeten Athletiktrainers (-> Zusammenarbeit mit OSP im Auftrag des DEB) zu stellen. Man legt die Verantwortlichkeit den Spielern selbst auf. Der Spieler kann dann viel Geld für einen Personal Trainer ausgeben, oder sein Athletiktraining selbst in die Hand nehmen. Ich kann jeden Spieler verstehen, der in einer Zeit, in der er nichts verdient, nicht auch noch Geld ausgibt.

Folgende Punkte wären also für die Umstellungen im Athletiktraining beim Eishockey wichtig:

  • Verbesserung der Periodisierung des Athletiktrainings
  • Sensiblere Gewichtung der Trainingsinhalte während der Saison
  • Ausweitung des Athletiktrainings im Eishockey auf einen Ganzjahresplan
  • Strengere Reglements in der Traineraus- und Weiterbildung

Ich würde es den aktiven Spielern wünschen, dass diese Umstellungen auch kommen. Und sogar die Teams könnten dann wirklich alle mal mit einem kompletten Kader in die Saison starten…

Eine interessante Saison wünscht Euch

Manuel Hiemer

Über Manuel Hiemer

Vizepräsident Landeseissportverband Sachsen-Anhalt; Vorstand Eis- und Sportverein Halle (Saale) e.V.; Inhaber M Solutionis (Online Marketing Agentur); ehem. Eishockeyspieler (EHC München, Dragodiles Bad Aibling, EV Landsberg, Star Bulls Rosenheim, Bemidji State Beavers, Silver Bay Mariners, Sportbund DJK Rosenheim)

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