Acht Monate mit den Fans

Motivierte Fans statt Klüngel-Mitgliedschaft

Ich kann mich noch gut an den November 2011 erinnern. Die Eishockeyfans in Deutschland bekamen beim Deutschland-Cup 2011 ihren geforderten runden Tisch, an dem DEB-, DEL- und ESBG-Vertreter die Problematik um den geplatzten Kooperationsvertrag den Fans erläutern und mit ihnen zusammen Lösungen finden sollten. Das hat mich so überrascht und gefreut, dass ich direkt mit dem „Frontmann“ der EEHF, Sascha Hartung, Kontakt aufnahm. Ich wollte mehr Details wissen und bat auch um die Veröffentlichungsrechte des Protokolls. Die Offenheit der EEHF war für mich, als bisheriges Mitglied der Eishockey-Klüngelwirtschaft in Deutschland, erquicklich und motivierend.

D-Cup_2011_Fans

D-Cup_2011_Fans

Im weiteren Verlauf entstand ein Beitrag, der eine Vorschau auf eine Phase im Deutschen Eishockey lieferte, die es so in der Intensität bisher noch nie gab. Wir motivierten uns gegenseitig. Sascha Hartung, auch Bomber genannt, zeigte sich wissbegieriger als alle Fans, die ich bisher so kennenlernen durfte! Er wollte mehr darüber wissen, warum Strukturen und Abläufe in unserer Sportart (gelinde ausgedrückt) suboptimal sind. Und er wollte nicht nur mehr wissen, er wollte auch aktiv etwas für Veränderungen tun. Das Ergebnis des runden Tisches im November 2011 war ein Versprechen des DEB, sich um ein klärendes Treffen im Rahmen der U20 B-WM in Garmisch-Patenkirchen zu kümmern. Wie wir alle wissen fand dieses niemals statt. Bomber wollte das, stellvertretend für sehr viele Fans in Deutschland, nicht hinnehmen. Im gleichen Zeitraum fanden auch meine Gespräche mit Manuel Hüttl, dem DEB-Vizepräsidenten statt. Die Gegensätze hätten nicht größer seine können. Das Ziel der Gespräche war es, einen gemeinsamen Konsens zu finden und Gegensätze zu etwas Positivem zusammenzuführen. Aber ich wurde angelogen, zielorientiert geblendet und getäuscht. Die mißführenden Gespräche gipfelten letztlich in öffentlich belegten Falschaussagen und noch mehr Wut bei den Fans. Aufgeputscht durch die Motivation der Fans, etwas bewegen und verändern zu wollen, begab ich mich im Januar diesen Jahres in „ihr Lager“ und entschloss mich etwas zu versuchen, von dem ich bis dahin keine Ahnung hatte. Ich versuchte einen Leak-Beitrag zu verfassen.


Hockeyleaks – Zündstoff trotz Anfangsfehler

Leaks sind prinzipiell heikel, weil man Schriftstücke veröffentlicht, die andere auf keinen Falle veröffentlicht haben wollen. Ein ganz wichtiger Aspekt war hierbei ein Emailverkehr zwischen einem der eloquentesten Fanbeauftragten in der DEL und dem Pressesprecher der DEL. Nachdem ein großer Streit unter unseren Führungseliten entfacht war, wer denn das Treffen in Garmisch zur Lösung der Kooperationsvertragsproblematik tatsächlich platzen ließ und wer denn der Schuldige sei, versuchten sowohl Fans als auch ich, Licht in die Schuldzuweisungsdunkelheit zu bringen. Das Verhalten diverser DEL-Funktionäre war in diesem Fall besonders heikel. Um dies offenlegen zu können, benötigte ich allerdings den Emailverkehr zwischen Thomas Schmitz und Herrn Schumann von der DEL. Auf mein Drängen konnte ich das Mail zunächst in die Leaks (alle anderen Leaks konnten ja bekanntermaßen bestehen bleiben) aufnehmen, musste es dann aber im weiteren Verlauf wieder entfernen, um Thomas zu schützen. Das war natürlich ein kleiner Rückschlag und wurde mir auch prompt von Medienvertretern und Leak-Experten zum Vorwurf gemacht. Anfangsfehler halt. Nichts desto Trotz haben diese Hockeyleaks Deutschland für Zündstoff gesorgt und die „Online-Rebellion“ der Fans weiter angeheizt. Zusätzlich trugen stetig erscheinende Negativnachrichten noch viel mehr zur immer stärker werdenden Mißstimmung im Lager der Fans bei.

Die Schwierigkeit der Aktivierung

Pokalfinale_web

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Von Februar bis März vollzog sich dann so eine Art Aufklärungsphase. Immer mehr Fans schrieben mich an oder riefen teilweise sogar an, weil sie mehr über die Hintergrund-Abläufe wissen wollten. Der eine oder andere Beitrag sollte da Aufklärunf schaffen, aber es waren auch nächtelange Chat-Sessions, in denen ich viel erklärte und informierte. Die Fans wurden also immer geläuterter, was die Machenschaften „da oben“ betraf. Unter anderem verfasste Holger Bösche (Eisbären Berlin) hier einen Gastbeitrag. Viele schlugen dann auch Aktionen öffentlich vor. Andere wiederum wurden dem Ganzen überdrüssig und waren eher durch Blogbeiträge und Posts genervt. Auch ich plädierte gebetsmühlenartig, dass es nicht bei den Schreibereien im Internet bleiben dürfe. Genau darin liegt aber die Schwierigkeit. Man muss seinen Schweinehund überwinden, um wirksame Aktionen in der realen Welt anzustoßen und muss draufgängerisch sein, solche umzusetzen. Als ich das immer wieder vorbrachte, kam auch eine Kontrahaltung gegenüber dem „Rebellenlager“ (bitte den Begriff nicht überbewerten) auf. Dann betrat irgendwie Benny Strobel die Bühne. Er war ebenfalls einer der stark geläuterten Fans und organisierte, weil er aktiv etwas gegen die Situation machen wollte, die DEBakel Aktionen in Ravensburg, Rosenheim und Kassel. In Einklang mit Benny schafften Sascha Hartung und sein Vorstand bei den EEHF, Börni Kühn, mit dem Fantalk zum Länderspiel in Hannover eine Plattform, bei der man DEB-Präsident Uwe Harnos direkt gegenübertreten, ihm die Meinung sagen und diskutieren konnte. Das Ergebnis war noch mehr Aufgebrachtheit als vorher, aber auch eine noch stärker werdende Phalanx, welche die Vorgehensweise anprangerte. Etwas fiel mir dabei noch auf. Es war eine sehr kleine Gruppe, die das alles managte und zum Erfolg brachte. Der Großteil der Fans konnte allerdings nicht mobilisiert werden. Es fand sich keiner, der die DEBakel Aktion mit in die WM tragen wollte. Im Anschluss an die Katastrophen WM versuchte ich auch eine Demonstration zu pushen. Doch diesmal schien der kleinen Crew die Puste auszugehen, es fand sich keiner der so richtig voranschreiten und eine Demo in seine Hand nehmen wollte. Die Stimmung gegen „die Bewegung“ wurde stärker. Selbst die unglaublichsten Nachrichten zwischen Mai und August blieben ohne größere Begleitaktion. Es war Benny Strobel, der meinem Ruf doch noch folgte und im August in München eine Demonstration organisierte. Es war zum ersten Mal in seinem Leben, dass er sich an so einem Ding versuchte. Nachdem bekanntermaßen nur 15 Mann nach München kamen (ein Paar reiste sogar aus Bremerhaven!! an) mussten wir (Benny und ich) natürlich ordentlich Häme einstecken. Denn es gab durchaus auch sehr viele kritische Stimmen im Vorfeld, die sich dann natürlich bestätigt fühlten. Die Mühen der letzten Monate schienen alle vergebens gewesen zu sein…

Eine überraschende Erkenntnis

Nun rechnete ich natürlich damit, dass sich die Fans, ähnlich wie es bei den Führungseliten unserer Sportart so üblich ist, untereinander aufreiben würden und Grabenkämpfe zwischen diversen Lagern (Befürworter und Skeptiker der Demo; Protagonisten und Gegner „der Bewegung“, ESBG und DEL Fans; Systemverteidiger und Systemgegner) entstehen würden. Doch ich musste etwas erleben, was ich in Jahrzehnten als Spieler, Dienstleister und zuletzt auch Trainer, in den Führungsriegen im Eishockey vergeblich suchte. Alle gingen wieder aufeinander zu. Jeder gestand dem anderen Fehler zu. Sehr viele hinterfragten auch ihr eigenes Handeln (dazu ist ja keiner unserer Funktionäre auch nur annähernd fähig). Und vor allem akzeptierte man Entschuldigungen untereinander. Ich, für meinen Teil, habe mich z.B. sehr darüber gefreut, dass Thomas Schmitz meine Entschuldigung für den etwas ruppigen Umgang im Fall Hockeyleaks annahm und wir uns sehr schnell einig waren, dass wir wieder zusammen an einer besseren Eishockeywelt „basteln“ wollen. Vielleicht sollten wir im Eishockey mal einen einzigartigen Versuch starten und für drei Monate jeder Verein oder Verband die Geschicke und Entscheidungen seinem Fanbeauftragten überlassen. Ich höre jetzt schon das Auflachen der Herren in den Anzügen und Polohemden. Aber mein lieber Herr Gesangsverein, die Fans gehen mit Krisen (wie jetzt z.B. die Sache mit der gefloppten Demo) so viel erwachsener und überlegter um, als alle bisher führend Tätigen in dieser Sportart! Ich habe für mich aus den letzten acht Monaten auf alle Fälle sehr viel mitgenommen! Als Spieler bestand meine Auseinandersetzung mit den Fans darin, dass ich Autogrammkarten unterschrieb, mir „Hiemer, Du …“ Rufe anhörte oder mich nach dem Spiel den Fragen der vor der Kabine Wartenden stellte. Die letzen Monate intensiver Gespräche mit Fans, Fanbeauftragten und Fanclub-Vorsitzenden rückten sehr viele Ansichten in ein ganz anderes Licht! Jedem dieser Fans nehme ich den Spruch „Gegeneinander um Punkte, gemeinsam für unseren Sport“ absolut ab.

Angeregte Gespräche, hitzige Debatten, der eine oder andere Streit und vor allem aber das wirklich faire Miteinander haben diese acht Monate mit den Fans zu etwas Besonderem gemacht!

Danke an alle Fans für Euer Engagement, Eure Einstellung und Euer Commitment! Ihr seid das Deutsche Eishockey, bitte macht es besser!

Über Manuel Hiemer

Präsident Landeseissportverband Sachsen-Anhalt; Vorstand Eis- und Sportverein Halle (Saale) e.V.; Inhaber M Solutionis (Online Marketing Agentur); ehem. Eishockeyspieler (EHC München, Dragodiles Bad Aibling, EV Landsberg, Star Bulls Rosenheim, Bemidji State Beavers, Silver Bay Mariners, Sportbund DJK Rosenheim)

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